Oberbodenabtrag und Archäologische Ausgrabung
Christoph Gutjahr, Maria Mandl
Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon (ehem. Gemeinde Weitendorf); KG: Kainach; Grst. Nr. 374/12, 550; Flur: Herrschaftsäcker;
Maßnahmennummer: 66413.24.01 + 66413.24.02; Durchführungszeitraum: 12.02.2024–04.03.2024 + 08.03.2024–22.03.2024
siehe auch unter:
- Fundorte Herrschaftsäcker 3 und Herrschaftsäcker 4
- Gräberfeld Kainach Ost und West, Brandflachgräbergruppe Lechner, Lebersiedlung
https://www.hengist-archaeologie.at/archaeologie/ausgrabungen/504-wildon-herrschaftsaecker#sigProIdae712a257c
Zusammenfassung
Auf den Parzellen 374/12 und 550 in der KG Kainach zeichnen sich im GIS-Orthofoto die Entnahmegräben von drei hallstattzeitlichen Großgrabhügeln (Hügel 16–18) ab, die in Zusammenhang mit dem bereits mehrfach archäologisch untersuchten spätmittelbronze- bis älterhallstattzeitlichen Bestattungsareal von Kainach bei Wildon (ca. 1300 bis 600 v. Chr.) stehen. Aufgrund einer geplanten Verbauung wurde der Kulturpark Hengist im Frühjahr 2024 von der Loginvest Beteiligungs GmbH nach erfolgtem Oberbodenabtrag mit der archäologischen Ausgrabung auf den unter Denkmalschutz stehendenTeilflächen beauftragt. Im Zuge des maschinellen Abhubs konnten mit Ausnahme der Entnahmegräben und des Überrests einer Keramikdeponierung (Objekte 486, 487 und 492 = Gräber 251-253/Hügel 16–18) keine relevanten archäologischen Befunde dokumentiert werden. Die kreisförmigen Gräben wiesen bei einem Durchmesser von durchschnittlich 30 m eine Breite von etwa 5 m und eine Tiefe von 0,30 bis 1,10 m auf. Eine Unterbrechung der Gräben im Nordosten markierte bei den Objekten 486 und 487 den Zugang zu den Gräbern. Eine entsprechende Beobachtung war bei dem von jüngeren Bodeneingriffen überprägten Entnahmegraben von Hügelgrab 18 auf der Parzelle 374/12 hingegen nicht möglich. Einzelne, über die Grabungsflächen verstreute Kalkbruchsteine deuten auf ehemals vorhandene steinerne Grabkammern in den Hügeln hin, die längst der landwirtschaftlichen Nutzung zum Opfer gefallen sind. Der Rest einer Keramikdeponierung im Entnahmegraben von Grab 17 datiert in die Phase Ha C2.
Bericht
Seit 2004 haben mehrere archäologische Ausgrabungen des Kulturparks Hengist im Bereich des Kainacher Bestattungsareals etwa 250 Brandgräber zutage gefördert (Bz C2/D bis Ha C2, hauptsächlich Flach-, aber auch Hügelgräber) (Gutjahr 2015, 174. Gutjahr und Windholz-Konrad 2017, D56-D57; Gutjahr und Windholz-Konrad 2020, 248; Gutjahr und Mandl 2022, FÖ 60, KG Kainach, MG Wildon, in Druck; Gutjahr und Mandl 2023, FÖ 61, KG Kainach, MG Wildon, in Druck. Gutjahr und Windholz-Konrad 2024). Die Kainacher Begräbnisstätte liegt in einem von zusedimentierten bzw. zugeschütteten Altarmen der Kainach durchzogenen Areal, das seit langem intensiv landwirtschaftlich genutzt wird (Zur Geologie des Gräberfeldes siehe: Hiden 2011, 207-208). Dementsprechend war ein beträchtlicher Teil der aufgedeckten Gräber durch den Pflug stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch für die drei sich im Luftbild abzeichnenden Hügelgräber war nur mehr ein rudimentärer Erhaltungszustand zu erwarten. Im Zuge des maschinellen Abhubs zeigte sich sehr rasch, dass außer den Gräben keine archäologisch relevanten Befunde mehr vorlagen. Einzelne verstreute Kalkbruchsteine gaben aber Hinweise auf ehemals wohl vorhandene Steinkammern. Eine solche Steinkammer konnte etwa 2018 unter dem Tumulus Nr. 5 der Kainacher Nekropole dokumentiert werden (Gutjahr und Mandl 2020, 393). In weiterer Folge wurden in den Entnahmegräben der Hügel 16 und 17 je fünf Baggerschnitte angelegt, im Hügel 18 vier. Eine vollständige manuelle Entnahme der Grabenverfüllungen wurde zwar überlegt, aber verworfen: Der vermutlich geringe Erkenntnisgewinn wäre großer Personalintensität und sehr hohem Zeitaufwand entgegengestanden.
Hügel 16 (Objekt 486/Grab 251)
Der Graben wies einen Durchmesser von 28 m und eine Breite von durchschnittlich 5 m auf. Die Wandungen verliefen schräg bis steilschräg, während man die Sohle durchgehend konkav angelegt hatte. Die Tiefe variierte zwischen 0,50 m südlich einer an der Nordostseite gelegenen Unterbrechung und 1,10 m in den übrigen Bereichen. In der Unterbrechung, die auch bei Hügel 17 angetroffen wurde, ist ein Zugang in das Grab zu vermuten. Nördlich des Zugangs verbreiterte sich der Graben am Ende und wies einen kleinen Knick in das Innere auf, das südliche Grabenende besaß hingegen einen zungenförmigen Grundriss. Die aus dunkelbraunem Feinsand mit etwas Fein- und Mittelkies (SE 1237) und Schotter (SE 1247) bestehende Verfüllung im nordöstlichen Bereich war größtenteils homogen. In einigen Schnitten war an der Unterkante eine Schicht aus Fein- und Mittelkies (SE 1246) festzustellen. Diese dürfte sich unmittelbar nach dem Anlegen des Grabens abgelagert haben, als die Wandungen aufgrund mangelnden Bewuchses noch nicht verfestigt waren. Innerhalb der Verfüllung nordwestlich des Zugangs befand sich eine Linse aus Flussgeschiebe (SE 1249), die man vorsichtig als verstürzte Reste einer Steinumfassung der Hügelaufschüttung interpretieren kann.
Hügel 17 (Objekt 488/Grab 252)
Der Graben hatte einen Durchmesser von 30 m und wies eine Breite von durchschnittlich 5 m auf. Die Wandungen waren zumeist flachschräg bis schräg, die Sohle war konkav ausgeführt. Der Zugang lag wie bei Hügel 16 im Nordosten und wies denselben Grundriss auf. Der Kreisgraben war an manchen Stellen nur noch so seicht erhalten, dass sein südliches Ende zu Beginn der Grabung irrtümlich als eigenständiges Objekt (Obj. 489) dokumentiert wurde. Die Tiefe lag zwischen 0,10 und 0,90 m. Der Graben war mit dunkelbraunem, lehmigen Schluff (SE 1241) verfüllt. Unmittelbar südlich und nördlich des Zugangs zeigten sich in der Verfüllung zwei dunkle Verfärbungen (Objekt 490 und 491) mit unklaren Grenzen. Während aus dem Objekt 490 (SE 1250/1251 IF) nur einzelne Kalkbruchsteine geborgen wurden, enthielt Objekt 491 (SE 1252/1253 IF) mehrere hallstattzeitliche Keramikfragmente, u. a. von einer Tasse und einem Kegelhalsgefäß (Ha C2). Aufgrund der Lage in der Nähe des Zugangs ist eine Interpretation als Deponierung nicht auszuschließen, vielleicht im Rahmen eines Totengedenkens.
Hügel 18 (Objekt 492/Grab 253)
Der stark überprägte Entnahmegraben wies ursprünglich einen Durchmesser von 32 m und eine Breite von durchschnittlich 4,5 m auf. Im Nordosten war er von der Trans Austria Gasleitung (TAG) bestoßen worden. Die Wandung verlief schräg bis steil schräg, die Sohle war konkav. Die durchschnittliche Tiefe betrug 1,0 m. Die Verfüllung bestand aus einem dunkelbraunen, kompakten Lehm (SE 1255). Im Südwesten wurde der Entnahmegraben von einem zweiten Graben (Obj. 494, SE 1258/1266 IF) geschnitten, der in die südliche Grabungsgrenze hineinlief. Dabei könnte es sich ebenfalls um den Umfassungsgraben eines Hügelgrabes handeln, das sich nun unter einem in den letzten Jahren angelegten Kreisverkehr befindet. Zusammenfassend kann hinsichtlich der Kainacher Untersuchungen festgestellt werden, dass die nahezu vollständige Zerstörung der Großgrabhügel und das damit verbundene Fehlen datierbaren Fundmaterials innerhalb der Hallstattzeit keine exakte zeitliche Einordnung erlauben. Lediglich für den Hügel 17 ist anhand des Keramikmaterials der postulierten Deponierung eine Zeitstellung in die Phase Ha C2 zu erwägen.
Literatur
Gutjahr 2015: Christoph Gutjahr, Das Grab 3 aus dem spätbronze- und frühhallstattzeitlichen Gräberfeld von Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Steiermark. In: Christoph Gutjahr – Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Hallstattzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 2. Internationalen Symposiums am 10. und 11. Juni 2010 in Wildon (Steiermark/Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 19 (= Hengist Studien 3), Rahden/Westf. 2015, 173-194.
Gutjahr und Windholz 2017: Christoph Gutjahr und Maria Windholz-Konrad 2017, Das spätbronze- und frühhallstattzeitliche Brandgräberfeld in der KG Kainach, MG Wildon. Pilotprojekt „Computertomographie und Archäologie – innovative Einsatzmöglichkeiten für Restaurierung und Forschung“: erste archäologische Ergebnisse. Fachgespräch „Computertomografie und Archäologie“, 7. April 2016, Graz (Steiermark). In: Fundberichte aus Österreich 54, 2015 (2017), D56–D62.
Gutjahr und Trausner 2019: Christoph Gutjahr und Martina Trausner, Archäologische Ausgrabung, Hallstattzeitliches Hügelgräberfeld Kainach bei Wildon 2017. In: Fundberichte aus Österreich 56, 2017 (2019), D5722-5726.
Gutjahr und Mandl 2020: Christoph Gutjahr und Maria Mandl, KG Kainach, MG Wildon. In: Fundberichte aus Österreich 57, 2018 (2020), 393-394.
Gutjahr und Windholz-Konrad 2020: Christoph Gutjahr und Maria Windholz-Konrad 2020, Horte und Nekropolen. Ein kurzer Streifzug durch die Spätbronze- und ältere Eisenzeit im Raum Wildon
(Steiermark, Österreich). In: Das Altertum 65, 2020, 241–268.
Gutjahr und Mandl 2022: Christoph Gutjahr und Maria Mandl, Archäologische Ausgrabung, Hallstattzeitliches Hügelgräberfeld Kainach bei Wildon 2020. In: Fundberichte aus Österreich 59, 2020 (2022), D8073-D8075.
Gutjahr und Windholz-Konrad 2024: Christoph Gutjahr und Maria Windholz-Konrad 2024, Aktuelle Einblicke in die spätmittelbronze- bzw. frühurnenfelder- bis älterhallstattzeitliche Nekropole Kainach bei Wildon, Steiermark, Arheološki vestnik 75, 2024, in Druck.
Hiden 2011: Hartmut Hiden, Geologie (Beitrag in: Christoph Gutjahr, Ein frühurnenzeitliches Brandgrab aus dem Gräberfeld Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf, Stmk.) In: Christoph Gutjahr – Georg Tiefengraber (Hgg.), Beiträge zur Mittel- und Spätbronzezeit sowie zur Urnenfelderzeit am Rande der Südostalpen, Akten des 1. Wildoner Fachgespräches vom 25. Bis 26. Juni 2009 in Wildon/Steiermark (Österreich). Internationale Archäologie – Arbeitsgemeinschaft, Symposium, Tagung, Kongress 15 (= Hengist Studien 2), Rahden/Westf. 2011, 207-218.
Seite geändert am: 24.06.2025