Brandgräberfeld Forststraße Wildoner Buchkogel

Christoph Gutjahr, Martina Trausner
ID: LBWI-66429-34; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon; KG: Unterhaus; Gst. Nr.: 83/1; 84; 85; Flur: Bockberg, Buchkogel; Maßnahmennummer: 185382/2013
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Im November 2012 begann die Hengist GmbH (8010 Graz, GF Dr. Bernhard Frizberg) als Grundeigentümerin in den KG Unterhaus (Gem. Wildon) und Kainach bei Wildon (Gem. Weitendorf) mit der Errichtung einer etwa fünf Meter breiten Forststraße. Sie führt ausgehend von dem in der Talsohle gelegenen Schloss Schwarzenegg und mit einigen Nebentrassen in etwa in den Bereich der Steinmaisspitze am Wildoner Buchkogel. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Arbeiten an der Forststraße noch nicht endgültig abgeschlossen, tangieren aber kein archäologisch sensibles Areal mehr. Baubegleitend fanden mehrere Begehungen der Forststraße(n) statt, einerseits durch MitarbeiterInnen des Vereins Kulturpark Hengist – nicht zu verwechseln mit der Grundeigentümerin – und andererseits durch das Bundesdenkmalamt (Dr.in Eva Steigberger).

Die Trasse erwies sich zunächst als weitestgehend fund- und befundleer; auch in dem auf Anordnung des Bundesdenkmalamtes verlegten Trassenteilstück in unmittelbarer Nähe der römerzeitlichen (?) Hügelgräbergruppe „Schießstand“ (Parz. 347) konnten keine archäologisch relevanten Beobachtungen getätigt werden. Am 21. Jänner 2013 fand schließlich wegen wiederaufgenommener Baggerarbeiten eine abermalige Begehung der Trasse durch MitarbeiterInnen des Vereins Kulturpark Hengist statt. Dabei wurden wenig talwärts der oben angeführten Hügelgräbergruppe im Bereich einer unterdessen teilweise gefällten Baumgruppe prähistorische Keramikfragmente sowie im Südostprofil eine angeschnittene Grabgrube samt Gefäß und Leichenbrand entdeckt. Die bereits am darauffolgenden Tag eingeleitete amtswegige Notgrabung (KG Unterhaus, Gem. Wildon, Gst. Nr. 85, MNr. 185382/2013) führte der Verein Kulturpark Hengist bei widrigsten Wetterbedingungen mit Unterbrechungen von 22. Jänner bis 5. Februar 2013 durch. Die Grabungskosten trug zum überwiegenden Teil das Bundesdenkmalamt, der Hengist GmbH (Dr. Bernhard Frizberg) sei an dieser Stelle für einen Kostenzuschuss gedankt. Gerhard Leitinger (Wildon-Unterhaus) übernahm dankenswerterweise und unentgeltlich den aufwändigen Abtransport des Fundmaterials in das Depot des Kulturpark Hengist.
Die Bergung der Objekte erfolgte hauptsächlich mittels Folienblöcken, ein Objekt (10) wurde in einer Holzkiste geborgen. Das Erdmaterial aus den (Grab-)Gruben sowie der überwiegende Teil der SE 16 wurden in Schwerlastsäcken abgepackt. Dieses Erdmaterial wird im Sommer 2013 von MitarbeiterInnen des Vereins Kulturpark Hengist geschlämmt werden.

Die Fundstelle selbst (Fläche 1) liegt am nordwestlichen Ende eines flachen, sowohl als Acker als auch als Wiese genutzten Nordwesthanges des Buchkogels (Parz. 85, 86), unmittelbar an einer (künstlichen?) Terrassenkante, 170 m südlich des bekannten Tontaubenschießstandes am Bockbergweg. Knapp 200 m südwestlich der Fundstelle befindet sich die Hügelgräbergruppe „Schießstand“. Nordwestlich der Terrassenkante setzt eine weitere größere Verebnungsfläche an, etwa zwei Meter unter deren Höhenniveau. Laut Anrainerauskunft befand sich hier ehemals ein Gebäude, das in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts abgerissen wurde. Mit diesem steht vermutlich auch eine Quelle(nfassung) in Zusammenhang, die sich unmittelbar unterhalb der Grabungsfläche am Fuße der Terrasse befindet. Im Nordosten reichte die untersuchte Fläche bis zum Stromleitungsgraben eines bis in die 1980er Jahre betriebenen Skiliftes. Unregelmäßig hoch anstehender (Leitha-)Kalkstein bildete den von verschiedenen Erosionsschichten bedeckten Terrassenuntergrund.

Insgesamt konnten auf der zirka fünf Meter breiten (= Straßenbreite) und 35 m langen Fläche 1 sechzehn Objekte aufgedeckt werden, ein Großteil davon hallstattzeitliche (Urnen-)Gräber. Die Objekte im Nordosten der Grabungsfläche (z. B. Obj. 1) kamen auf einem höheren Niveau zum Vorschein als jene im südwestlichen Teil der Grabungsfläche um Obj. 11. Über nahezu die gesamte Grabungsfläche erstreckte sich die SE 16, die im nordöstlichen Eck an den anstehenden Leithakalkstein (SE 17, 18) grenzte. Schichtinhalt der SE 16 waren zahlreiche Keramikfragmente sowie Holzkohle und kalzinierte Knochen (vorbehaltlich einer anthropologischen Analyse wird hier wie auch in der Folge von menschlichem Leichenbrand ausgegangen).


Bei den Objekten 15 (SE 38) und 16 (SE 39) handelte es sich um Verfärbungen im Boden, die jedoch nicht weiter untersucht wurden, da sie durch ihre tiefere Lage von den Baggerarbeiten unberührt blieben. 
Objekt 2 (SE 7) war eine rezente Planierschicht, die Ziegelstücke sowie ein grün glasiertes Kachelfragment enthielt und vermutlich mit dem angrenzenden Stromkabelgraben in Verbindung gebracht werden kann. In den Objekten 3, 4, 5, 11 und 13 liegen Scherbenkonzentrationen unterschiedlicher Anhäufung vor. Bei den Objekten 3 (SE 8) und 5 (9, 23 IF) handelte es sich um großflächigere Scherbenkonzentrationen, die auch kalzinierte Knochen und Holzkohle aufwiesen. Die mehrlagige Keramikkonzentration des Objekts 5 (9, 23 IF, Grab 4) enthielt eine höhere Anzahl an kalzinierten Knochen als die übrigen Objekte. Ob es sich hierbei um ein Grab gehandelt hat, muss offen bleiben, da keine Grabgrube festgestellt werden konnte. Objekt 4 (SE 37) bestand ausschließlich aus wenigen Keramikfragmenten. Objekt 11 (SE 29, 30 IF) setzte sich aus mehreren Scherbengrüppchen sowie kalzinierten Knochen und einem kleinen Bronzefragment zusammen.
Objekt 13 (SE 33) wurde von mehreren Sandsteinen gebildet, wobei der größte auf einigen Keramikfragmenten auflag. Objekt 9 (SE 25, 26 IF) bestand aus Gefäßfragmenten, darunter zwei kleinere Gefäße (FNr. 55, 56) sowie kalzinierten Knochen. Objekt 7 (SE 19, 20 IF) war eine kleine Vertiefung (Dm. ca. 0,30 m; T= max. 0,15 m) mit erhöhter Holzkohledichte. Eine Interpretation als Pfostengrube erscheint fraglich.
Klar als Urnengräber können die Objekte 1 (Grab 1), 6 (Grab 3), 8 (Grab 2), 10 (Grab 5), 12 (Grab 6) und 14 (Grab 7) angesprochen werden.

Die Objekte 1 (SE 3, 4 IF, 21, 34) und 8 (SE 11, 12 IF, 22) befanden sich im Südostprofil (Profil 1, 2) und wurden teilweise vom Bagger angeschnitten. Das in den anstehenden Kalkstein eingetiefte Objekt 8 (Grab 2) barg ein größeres Gefäß, mehrere Keramikfragmente, Holzkohleflitter und -stücke, kalzinierte Knochen sowie Bronzefragmente. Objekt 1 (Grab 1) gab sich zunächst nur als eine von zwei kleineren Kalksteinen eingefasste und vom Bagger beschädigte Urne zu erkennen. Nach dem Abhub des Erdreichs über den Objekten 1 und 8 mit dem Bagger und einer Erweiterung der Grabungsgrenzen um 3,20 x 4,00 m außerhalb der Strassentrasse, kam über der Urne bzw. der eigentlichen Grabgrube von Objekt 1 (Grab 1) eine lineare, annähernd Ost–West orientierte mehrlagige Keramikkonzentration in der SE 21 zum Vorschein, darunter auch zwei Ganzgefäße (FNr. 45, 61). Aus der SE 21 stammen ferner zum Teil massiv Holzkohle (bis 0,03 m), ein verkohlter Balkenrest (L. = ca. 0,30 m), vereinzelt kalzinierte Knochen sowie Kalksteine bis 0,25 m. Die SE 21 konnte nicht ganz ergraben werden, da sie sich außerhalb der Strassentrasse noch in alle Richtungen hin fortsetzte. Nach Bergung der Kerkamiklagen trat ein direkt an die Urne anschließendes weiteres Gefäß zu Tage. Das durch die Baggerarbeiten stark beschädigte Objekt 12 (Grab 6, SE 31, 32 IF) beinhaltete Fragmente mehrerer Gefäße sowie kalzinierte Knochen. Objekt 14 (Grab 7, SE 35, 36 IF) enthielt nur ein stark zerdrücktes Gefäß (Urne), die eng um das Gefäß gezogene Grabgrube barg viel Holzkohle sowie ein Hornsteinfragment. Aus Objekt 6 (Grab 3, SE 10, 24 IF), dessen Grabgrube nicht zu erkennen war, stammen drei Gefäße (ein größeres, grafitiertes Gefäß neben einem etwas tiefer liegenden kleinen Gefäß). Bei der durch massive Wurzelstörungen schwierigen Blockbergung des größeren Gefäßes kamen ferner eine innen liegende kleine Tasse und eine Kahnfibel zu Tage. 
Objekt 10 (Grab 5, SE 27, 28 IF) wies offenbar mehrere ineinander gestellte Gefäße auf. Das größte Gefäß dieses Grabes war grafitiert und ornamental verziert, ein weiteres Gefäß wies einen roten Überzug auf. Dieses Objekt wurde als Ganzes in einer großen Holzkiste geborgen.
Bei der SE 16 handelte es sich höchstwahrscheinlich um eine Erosionsschicht, die über und zwischen den zum Teil in den anstehenden Kalkstein eingetieften Gräbern lag. Der Schichtinhalt der SE 16 (reichlich Keramikfragmente, kalzinierte Knochen sowie Holzkohlestücke und -flitter) dürfte sich aus zerstörten bzw. verlagerten Gräbern zusammensetzen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich entlang der Trasse noch zahlreiche weitere archäologisch relevante Objekte bzw. Gräber befinden. Um den Fortschritt der Bauarbeiten jedoch nicht weiter zu behindern, wurde seitens des Bundesdenkmalamtes in Absprache mit dem Grundeigentümer beschlossen, allfällige weitere Objekte auf der Trasse mittels ohnehin beabsichtigten 0,40 m hohen Schotterauftrags zu versiegeln bzw. zu konservieren.

Für eine genaue zeitliche Ansprache der Funde bedarf es noch der Restaurierung sowie einer detaillierten Analyse. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei den aufgedeckten Objekten und Gräbern um Teile eines ausgedehnten, hallstattzeitlichen (Flach-)Gräberfeldes. Möglicherweise ist dieses mit der am Wildoner Buchkogel gelegenen Höhensiedlung in Verbindung zu bringen. Die Parzelle 85, auf der sich die Grabungsfläche 1 befindet, wurde unter Denkmalschutz gestellt. Der Vollständigkeit halber sei hier auch an das 2003 entdeckte hallstattzeitliche Grab „Leitinger-Urne“ (Parz. 102/4) hingewiesen, das sich etwa 150 m östlich der neuen Fundstelle befand, weiters auf das etwa 400 m östlich gelegene hallstattzeitliche Hügelgräberfeld „Buchkogel“. Für die meist römerzeitlich datierte, oben bereits mehrfach angeführte Hügelgräbergruppe „Schießstand“ ist eine chronologische Stellung in die Hallstattzeit ebenfalls nicht ausgeschlossen.

 

Seite geändert am: 31.03.2020