Grabungsbericht 2014

Christoph Gutjahr, Maria Mandl
ID: LBST-66427-09; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon (ehem. Gem. Stocking); KG: Stocking; Gst. Nr.: 93; 94/2; 94/3; 94/4; Flur: Grafenkogel, Auengrafenkogel; Maßnahmennummer: 66427.14.01
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Aufgrund eines privaten Bauvorhabens fand am 20. Oktober 2014 durch den Verein Kulturpark Hengist auf dem als archäologische Fundverdachtsfläche ausgewiesenen sog. Grafenkogel (Gem. Stocking. Im Zuge der steirischen Gemeindestrukturreform wurden mit 1.1.2015 die Gem. Weitendorf, Stocking (ohne KG Hart) und Wildon zur Marktgemeinde Wildon fusioniert) eine auf einen Tag anberaumte Baubeobachtung statt. Sie erfolgte in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt wegen des geplanten Baus einer Betonstützmauer zwischen zwei benachbarten Parzellen im archäologisch sensiblen Bereich. Bereits nach wenigen Baggerabhüben war klar, dass eine massive Grabkammer angeschnitten wurde, dessen genaue Dokumentation eine Notgrabung unumgänglich machte. Im Rahmen dieser fand – mit großer Unterstützung der Grundeigentümer Familie Lienhart – vom 21. Oktober bis zum 14. November 2014 eine archäologische Untersuchung (66427.14.01) der vom Eingriff betroffenen Bereiche statt, sowie die archäologisch-topografische Aufnahme des Grabhügels und dessen näherer Umgebung. Die finanziellen Kosten der Ausgrabung übernahm das Bundesdenkmalamt.
Der einzeln stehende Hügel „Grafenkogel“ wurde in den Akten des Bundesdenkmalamtes bisher als vermutlich römer- oder hallstattzeitlicher Grabhügel geführt, eine zumindest teilweise Beraubung etwa Mitte des 19. Jahrhunderts ist anhand der im Ortsakt am Universalmuseum aufliegenden Archivalien anzunehmen. Er liegt in der Ortschaft Stocking, östlich der Mur in der Ebene um den u. a. als hallstattzeitlichen Zentralort ausgewiesenen Wildoner Schlossberg. Die Bedeutung Wildons in der Eisenzeit ist auf seine verkehrsgünstige Lage an der Einmündung der Kainach in die Mur bzw. an wichtigen Übergängen über Kainach und Mur zurückzuführen.
Das Erdbauwerk ist exakt auf der heute nur mehr undeutlich erkennbaren Geländekante zwischen einer späteiszeitlichen Niedrigterrasse zum alluvialen Talboden der Mur angelegt. Landwirtschaftliche Nutzung und Bautätigkeit haben der Kubatur des Bodendenkmales stark zugesetzt. Laut Auskunft des
Grundbesitzers sollen hier während des Zweiten Weltkrieges auch zwei militärische Unterstände eingebaut worden sein. Wie sich im Laufe der Grabung herausstellte, hatte im Jahr 1991 die Baugrube
für das Einfamilienhaus auf der Parzelle 94/3 die Grabkammer nur um Haaresbreite verfehlt. Eine vage Vorstellung von den ursprünglichen Ausmaßen des Hügels bekommt man bei der Betrachtung der im Osten anschließenden Parzelle 93. Zwar wurde auch hier durch die Abtragung der Aufschüttung ein künstliches Plateau geschaffen, doch überragt dieses an seinem höchsten Punkt das Nachbargrundstück immer noch um gut 1,40 Meter, den östlich anschließenden Acker gar um 2,40 Meter. Hier wird man wohl Recht in der Annahme gehen, dass im Zuge jahrhundertelanger landwirtschaftlicher Nutzung der Grabhügel eingeebnet wurde. Die Übergänge zur Terrassenkante im Süden und dem Gelände im Norden sind dagegen fließend. Bei den unter archäologischer Aufsicht erfolgten Aushubarbeiten für eine geplante Nord–Süd verlaufende Böschungsmauer zeigte sich zum Teil bereits direkt unter der Humusunterkante die oberste Steinlage der Grabkammer, die entgegen aller Befürchtungen nach erster Begutachtung nahezu ungestört zu sein schien. Da die Grundeigentümer nicht von dem Bauvorhaben abrückten, wurde zusammen mit dem Bundesdenkmalamt vereinbart, den betroffenen Bereich bis auf Bauniveautiefe zu untersuchen und die Grabkammer manuell abzutragen.
Die Kalksteinsetzung (SE 9) wurde an der Westseite in ihrer Gesamtheit von knapp 9,50 Metern erfasst, im Norden läuft sie bei 1,40 und im Süden bei 3,10 Metern in die Grabungsgrenze. Südlich davon sollen laut Grundbesitzer im Jahr 1967 bei den Ausschachtungsarbeiten für den Keller des Neubaus auf der Parzelle 93 Kalksteine und ein Keramiktopf zutage getreten sein. Die gemachten Beobachtungen könnten ein Hinweis auf eine Nachbestattung oder auf die Lage eines bei der Größe der Grabkammer vorauszusetzenden Dromos sein. Somit würde die höchstwahrscheinlich quadratische Grabkammer bei einer Seitenlänge von über 9 Metern eine nordöstlich–südwestliche Ausrichtung aufweisen.
Die Steinkammer ist auf einer Höhe von 2,90 Metern erhalten, bei einer durchschnittlichen Breite der Trockenmauer von 0,80 Metern mit geringfügigen Abweichungen im unteren Aufbau. Die Steinschlichtung besteht aus gelblichweißem, massivem Leithakalk, wie er in der näheren Umgebung im Bereich des Bergrückens zwischen den Ortschaften Wurzing im Norden und Afram im Süden ansteht. Nicht feststellbar ist, ob das Material aus dem Anstehenden gewonnen wurde oder ob dazu Lesesteine aus der natürlichen Schutthalde am Fuß des Berghanges Verwendung fanden. Die Blöcke weisen einen Durchmesser von durchschnittlich 0,25 m auf, es wurden aber auch Steine mit bis zu 0,45 m im Durchmesser in der Grabanlage verbaut. Die unterste Steinschar besteht außen ausschließlich aus Blöcken dieser Dimension.
Die Grabkammer wurde nach der vermutlichen Einebnung des Geländes in Trockenmauertechnik aufgezogen, wobei sich im Inneren eine Holzverschalung befunden haben muss, da sich nur so die
exakten vertikalen Abschlüsse und akkuraten Fluchten erklären lassen. Außen springen die unteren Lagen ähnlich einem Fundament vor, wobei sich die einzelnen Blöcke nach innen
zu neigen scheinen. Zwischen diesen und der postulierten Schalung wurden im Durchschnitt kleinere Steine als Füllmaterial verwendet. Unklar ist, ob der Lehm zwischen den Steinen als Bindemittel verwendet wurde oder erst im Zuge der Hügelaufschüttung und/oder der Setzung in die Hohlräume gelangte.
Auf den Steinaufbau folgte innen eine Schüttung (SE 10) aus Murschotter und einigen Kalksteinen, die von der Unterkante der Kammer bis zur deren heute erhaltenen obersten Steinlage reichte. Daraus stammt als Fund ein Blech aus Kupferlegierung in direktem Verbund mit Holz, das situationsbedingt nur zum Teil geborgen werden konnte. Vor der dankenswerterweise durch das Bundesdenkmalamt übernommenen Restaurierung bleibt eine genaue Ansprache des Gegenstandes rein spekulativ. Zudem fanden sich an einer Stelle in der Schüttung einige Kiese mit Bronzeanhaftungen.
Die Schotterschicht wurde flächendeckend von einer 0,20 m mächtigen, kompakten Holzkohleschicht (SE 11) überlagert. Höchstwahrscheinlich handelte es sich hier um die Holzabdeckung (sehr wahrscheinlich aus Eiche) der Grabkammer, die aus unbekannten Gründen abbrannte. Aus dieser Schicht wurde eine Holzkohleprobe entnommen, die ein – wenig überraschendes – in die Hallstattzeit weisendes Radiokarbondatum ergab (BP 2480±30, 2 ϭ, cal BC 770–480, 440–435; Beta Analytic). Das Innere der mit Holz ausgezimmerten eigentlichen Grabkammer konnte nur auf einer Fläche von weniger als einem Quadratmeter im Süden untersucht werden. In der eine Rollierung (SE 50) aus kleineren Flussgeschieben überlagernden Holzkohleschicht (SE 44) wird man ebenfalls die verbrannte Holzabdeckung sehen dürfen, die spätestens im Zuge der Überschüttung durch die Last in den darunterliegenden Hohlraum gestürzt ist.
Aus diesem kleinen Ausschnitt sind an Funden eine Bernsteinperle sowie 12 äußert qualitätvolle, geriefte Goldringe zu nennen sowie eine große Menge an Goldperlen, deren Durchmesser jeweils bei nur 2 mm liegt. Eine erste Analyse einer dieser Perlen durch die Restauratorin Anne-Katrin Klatz (Gutenberg an der Raabklamm) ergab, dass diese aus dünnem Goldblech besteht, das zum Halbrund geformt wurde (mittels Kugelpunze oder ähnlichem) und einen organischen Kern beinhaltet.
Die Funde stellen sicherlich nur einen Teil der wertvollen Grabbeigaben einer elitären Frau in der Südwestecke der Kammer dar. In dem im Vergleich zu den Ausmaßen der Grabkammer kleinen Untersuchungsbereich konnte im Übrigen kein Leichenbrand nachgewiesen werden.
Den Aufbau des Grabmonumentes betreffend ist noch festzuhalten, dass die eingestürzte Holzkammer mit dem anstehenden Material aus der Umgebung verfüllt wurde, während man wahrscheinlich
gleichzeitig damit begann den Hügel aufzuschütten. Um die Grabkammer vor Eingriffen von oben zu schützen, ist es vorstellbar, dass diese vom Steinaufbau vollständig ummantelt wurde.
Als Schüttmaterial für den Hügel wurden zwei unterschiedliche Materialen verwendet, die beide im direkten Umfeld vorkommen. Als vorwiegendes Schüttmaterial kamen Aulehme (SE 2–3, 13, 15, 18–29, 32–37) zum Einsatz, wie sie hier sowohl auf der Niedrigterrasse als auch im alluvialen Talboden vorkommen. Weiters wurden sandige Kiese (SE 4–8) verwendet, die in ihrem Gesteinsspektrum den im Liegenden der Aulehme auftretenden Murschottern entsprechen und zum Großteil die Niedrigterrasse aufbauen. Eine Durchmischung dieser beiden Materialien ist in der Schüttung des Hügels kaum feststellbar. Abgesehen von einigen wenigen Kiestaschen in den Aulehmen sind diese beiden Gesteine in der Schüttung klar getrennt. Damit liegt nahe, dass diese beiden Materialien bei unterschiedlichen Bauphasen des Hügels verwendet wurden. Eine mögliche Ursache könnte in den Lagerungsverhältnissen dieser beiden Sedimente liegen: Die sandigen Schotter bilden den Untergrund
der Aulehme. Im Zuge des Abbaues wurden zuerst die hangenden Lehme verwendet, danach die unterlagernden Schotter. Dieses Material fand sich nur an der Südseite des Hügels, wo auch der Dromos vermutet wird.
Unter Berücksichtigung der wahrscheinlichen Grabkammergröße von knapp 9,50 x 9,50 Metern sowie den topografischen Gegebenheiten bzw. den heute noch im Gelände sichtbaren Veränderungen ist für den Grabhügel bei einer rückzuschließenden Höhe von ehemals 7 bis 8 Metern ein Durchmesser von mindestens 40 Metern anzunehmen. Mit diesen Ausmaßen und den Indizien auf eine exorbitante Beigabenausstattung dürfte der Grafenkogel bei Stocking in eine Reihe mit den bekannten und unterdessen gut erforschten sog. Fürstengräbern von Kleinklein und Strettweg zu stellen sein, oder auch mit jenem, welches anhand der überlieferten Funde für Radkersburg/Radgona erschlossen wird. Zieht man einen Vergleich mit den vermutlich eine dynastische Abfolge abbildenden Großgrabhügeln von Strettweg und Kleinklein, so ist der Grafenkogel sicher keine singuläre Erscheinung im Nahbereich des Wildoner Schlossberges, aber vermutlich das einzige Prunkgrab, das in dieser Form erhalten blieb. Gewissheit über allfällige weitere, mittlerweile völlig abgegangene bzw. eingeebnete Tumuli könnte eine geophysikalische Prospektion auf dem noch nicht verbauten Gelände im Umfeld des Grabhügels bringen. Die Größe der Grabkammer und die Goldringe, die eine entfernte Verwandtschaft zu jenen aus dem Kultwagengrab von Strettweg bekunden, lassen vorläufig an eine Datierung des Grabhügels in die Stufe Ha D1 denken.

 

 

Seite geändert am: 31.03.2020