Grabungsbericht 2017

Maria Mandl
ID: LBWI-66429-10; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Wildon; KG: Unterhaus; Gst. Nr.: .1, 10/1, 10/2; Flur: Schlossberg Wildon, MNr.: 66429.17.01; Durchführungszeitraum: 01.05.2017–31.10.2017
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Kampagne 2017
Bereits im Jahr 2015 wurden unter anderem in den noch offenen zwei Altschnitten S2 und S6 der Ausgrabungen des damaligen Landesmuseums Joanneum (Grabungskampagnen 1985–1994) archäologische Untersuchungen vorgenommen, die in der diesjährigen Kampagne ihre Fortführung fanden. Der Baggerschnitt S6 östlich des Bergfrieds wurde gesäubert und das Dokumentationsniveau und die Profile der Altgrabung aufgenommen (Der Baggerschnitt wurde irgendwann zwischen 1985 und 1988 angelegt. Freundliche Mitteilung M. Roscher, Wildon.). Im selben Jahr wurde der Altschnitt S2 an der Nordwestecke des Turnierplatzes nach Norden hin erweitert (S11) (Gutjahr und Trausner 2015, 375–377).

In der Kampagne von 2017 konnten in Schnitt 6 durch das Abtragen ungestörter Schichten – soweit es die Arbeitssicherheit zuließ – u. a. zwei weitere Mauerzüge festgestellt werden. Die Untersuchungen am Rand des Turnierplatzes (S2 und S11) förderten eine Stützmauer/Umfassungsmauer und Planierschichten mit zahlreichen Funden zutage. Im Westen der Anlage, unterhalb der Ruinen der im 17. Jahrhundert errichteten Johannes-Kapelle, wurde auf einem Sporn ein neuer Schnitt (S13) angelegt, um an dieser Stelle allfällig erhaltene prähistorische Siedlungsreste abzuklären.

 

Topografie
Die Marktgemeinde Wildon (Bez. Leibnitz) liegt zirka 20 km südlich von Graz in typischer Klausenlage an der Mündung der Kainach in die Mur am Fuß des 450 m hohen Schlossberges. In Wildon befand und befindet sich einer der wenigen Übergänge über die Mur, die die West- und die Oststeiermark verbinden. Der Kalkfelsen des Wildoner Schlossberges stellt gemeinsam mit dem Buchkogel einen markanten, in West–Ost Richtung verlaufenden Höhenzug dar, der das Grazer Feld im Norden vom ausgedehnten Leibnitzer Feld im Süden trennt. Durch den heutigen Ort führt die alte Reichsstraße, einst der wichtigste Nord–Süd Verkehrsweg des Landes. Das heutige Erscheinungsbild des zirka 300 m langen und knapp 80 m breiten Gipfelplateaus des Schlossberges wird von den Ruinen der mittelalterlichen Burgen Altwildon am Westsporn und Neuwildon (1260 „novum castrum“) im Ostteil des Berggipfels sowie dem dazwischen liegenden sog. Turnierplatz mit einer Größe von rund 85 x 30 m geprägt. Den Aufweg zum Bergplateau sperrten ursprünglich auf halber Höhe die beiden kleinen mittelalterlichen Burgen (Türme) Ful und Hengst, von denen sich Reste am nördlichen Schlossberghang erhalten haben. Zahlreiche Siedlungsterrassen an den Abhängen des markanten Inselberges dürften aus der Urnenfelderzeit stammen, einer von zahlreichen Perioden, in der der Schlossberg zusammen mit dem Buchkogel sicherlich eine zentralörtliche Funktion innehatte.

 

Schnitt 6 (S6)
Der seitens des damaligen Landesmuseums Joanneum mit dem Bagger anfangs der 1990er Jahre ausgehobene Schnitt S6 (Abb. 2; L. 14,00 m, B. 3,00 m, T. 1,50 m) liegt unmittelbar am östlichen Fuß des Wohnturmes. Bereits in der Kampagne von 2015 zeigten sich in den Profilen des Schnittes (Profil 1 und Profil 2 im Süden und Profil 4 im Norden) mehrere durch den Bagger gekappte Mauerzüge (von West nach Ost: M14: SE 71, SE 191-IF; M15: SE 72, SE 192-IF; M12: SE 58, SE 189-IF; M13: SE 115, SE 190-IF; M16: SE 87, SE 193-IF; M11: SE 48, SE 188-IF). 2017 konnten drei weitere Mauern freigelegt werden, die dem rezenten Eingriff nicht zum Opfer gefallen waren. Die annähernd Nord–Süd verlaufende Mauer 19 (M19: SE 210) war nur mehr in zwei Lagen erhalten. Blöcke aus Kalkstein (0,50 x 0,30 m) im Lehmverband mit kleineren Füllsteinen aus Kalkbruch sind an der Ostseite zu erkennen gewesen. Ein überhängender Felsbrocken ließ es nicht zu, die Westseite der Mauer zu erkunden. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei aber um ein Blendmauerwerk, das dem Fels mit dem spätmittelalterlichen Wohn- und Wehrturm (sog. Römer- oder Heidenturm) vorgelagert war. Gestört wird diese von einer vermutlich Ost–West verlaufenden Mauer (M20: SE 212) aus Kalkbruchsteinen im Mörtelverband. Östlich der Mauer 19 verläuft eine weitere Mauer (M21: SE 216) durch den Grabungsschnitt, die eine deutliche Biegung nach Osten aufweist. Auch hier liegen die Blöcke (bis zu 0,90 m im Durchmesser) in einer lehmigen Matrix mit kleineren Bruchsteinen. Die Ostseite wird teilweise von der jüngeren Mauer 12 überbaut und konnte auch im Planum aus Gründen der Arbeitssicherheit nicht untersucht werden. Die Mauer 19 setzt auf einer kompakten Planierschicht (SE 220) aus Lehm mit Kalkbruchstücken auf, diese überlagert wiederum einen Brandhorizont (SE 114), der zahlreiche Keramikfragmente aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts enthielt. Die durchschnittlich 0,20 m mächtige Brandschicht besteht zum größten Teil aus Holzkohle und Asche, die mit lehmigen Kalksteinbruchstücken durchsetzt ist. Stratigraphisch liegt sie über der Mauer 21. Die schon 2016 dokumentierte zweiphasige Lehmauflage (SE 57 und SE 116) zwischen den Mauern 12 und 16 liegt auf einer lockeren Schüttung aus Kalkbruchsteinen (SE 203) auf. Eine Interpretation als Lehmboden, im Sinne eines Begehungshorizontes in einem Wohnbereich etc., scheint daher unwahrscheinlich. Der Boden würde mit dieser Unterlage der ständigen Belastung nicht lange standhalten.

Der Befund konnte weder im Profil noch in der Fläche weiterverfolgt werden, eine Interpretation als Kalkbrennofen wird daher mit dem Verweis auf den geringen ergrabenen Ausschnitt mit einem sehr großen Fragezeichen versehen. Der Schnitt 6 liegt am Ausgang des Nord–Süd orientierten westlichen Abschnittsgrabens. Es ist daher zu vermuten, dass ein Großteil der hier aufgedeckten Mauern der Befestigungsanlage von Alt-Wildon zuzurechnen ist.

 

Schnitt 11
Die Schnitte S2 und S11 befinden sich an der Nordwestecke des Turnierplatzes.

Vorab wurden die Wurzelstöcke der bereits im Jahre 2015 gefällten Bäume entfernt. Ein Wurzelstock befand sich direkt auf dem ‑ durch Hangerosion stark gefährdeten ‑ eingezogenen Mauereck aus gemörtelten und unbehauenen Kalksteinblöcken (M18, SE 165, SE 170-IF). Die Mauer 18 setzt auf einer Steinlage aus unbehauenen, großen Kalksteinblöcken (SE 167) auf. Dabei handelt es sich vermutlich um eine Stützmauer, die zusammen mit der Mauer 18 den Turnierplatz nachweislich im Westen gegen das abfallende Gelände abgrenzte. Eine ähnliche Situation darf man sich wohl auch für die Nordseite vorstellen, doch ist hier aufgrund von Erosion mit großem Befundschwund zu rechen. Über den Mauern lagen die SE 30 (eine durch rezente Eingriffe stellenweise stark gestörte Planierung) und die Planierschichten SE 164=166 und SE 221=222. Das Fundspektrum (fast ausschließlich Keramikfragmente) aus diesen Planierungen reicht vom Neolithikum bis in das 17. Jahrhundert. Die Errichtung dieser Umfassungs- bzw. Stützmauer des sog. Turnierplatzes kann vermutlich der Fam. Leysser (16. Jhd.) zugeschrieben werden, die damals die landesfürstliche Herrschaft Oberwildon zur Pflege hatten. In jener Zeit wird der Burg Oberwildon immer noch eine wichtige strategische Funktion zugeschrieben, so dass der sog. Turnierplatz eventuell auch der Musterung von Söldnern gedient haben könnte (Naschenweng 2008, 8‑11. Obersteiner 2008, 8–17).

 

Schnitt 13 befindet sich auf dem westlich vorgelagerten, zungenartigen Sporn unterhalb der Johanneskapelle (Schnitte 8–10). Nach Säuberung der Fläche (Fl. 2) wurde der Schnitt orthogonal (ca. Nordwest–Südost verlaufend) zur Zungenlänge angelegt. Es konnten im Wesentlichen zwei Schichten (SE 214, 215) festgestellt werden. SE 214 beinhaltete relativ viele Ziegelfragmente, darunter auch solche von Dachziegeln, die wohl von der Kapelle stammten. Die SE 215 enthielt wenige hallstattzeitliche Keramikfragmente; vermutlich liegt hier der Rest einer ansonsten weitestgehend aberodierten Kulturschicht vor. In einer Tiefe von durchschnittlich 0,50 m kam bereits der natürliche Fels zum Vorschein. Anhand des Befundes können vorläufig – mit gewissem Vorbehalt – lediglich hallstattzeitliche Aktivitäten am Sporn überlegt werden.

Auch wenn die archäologische Evidenz noch fehlt, sofern sie überhaupt jemals erbracht werden kann, dürfte dieser markante Platz während der jahrtausendelangen Besiedelung des Wildoner Schlossberges zumindest zeitweilig in irgendeiner Weise genutzt worden sein.

 

Literaturverzeichnis
Gutjahr/Trausner 2015:
Ch. Gutjahr/M. Trausner, FÖ 54, 2015 (2017), KG Unterhaus, MG Wildon, 375–377.
Gutjahr u.a. 2018: Christoph Gutjahr, Stephan Karl, Gernot Obersteiner, Hengist best-of, Führer zu archäologischen Fundstellen und Baudenkmalen in der Region Hengist, Hengist-Magazin Sonderband 1, Wildon 2018, 16–29.
Naschenweng 2008: Hannes P. Naschenweng, Die Leysser, Burgpfleger zu Wildon im 16. Jahrhundert. In: Hengist-Magazin 2/2008, 8–11.
Obersteiner 2008: Gernot Peter Obersteiner, Ein „Grenzhaus“ am engen Pass. Oberwildon im 16. Jahrhundert und die Idee einer neuen Landeshauptstadt. In: Hengist-Magazin 3/2008, 8–17.
Tiefengraber 2018: G. Tiefengraber, Der Wildoner Schlossberg. Die Ausgrabungen des Landesmuseums Joanneum 1985-1988, SchildStei Beih. 7 / Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 80 (Graz 2018).

 

Seite geändert am: 26.03.2020