Grabungsbericht 2018

Maria Mandl
ID: LBHB-66412-35; Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Hengsberg; KG: Hengsberg; Gst. Nr.: 36/2; MNr.: 66412.18.01; Durchführungszeitraum: 01.02.2018–12.04.2018
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Adaption Gemeindeamt Hengsberg
In der Zeit vom 1. Februar bis zum 12. April 2018 führte der Kulturpark Hengist im Auftrag der Gemeinde Hengsberg archäologische Untersuchungen auf dem Grundstück 36/2 (KG Hengsberg) durch, mit Hauptaugenmerk auf das darauf liegende Gebäude. Aufgrund des auf der Liegenschaft liegenden Denkmalschutzes kamen ein Abriss und Neubau des Gemeindeamtes an dieser Stelle nicht infrage, daher erfolgte nur eine Adaptierung des zweigeschoßigen Ziegelbaues über einer Sockelmauer aus Kalk- und Basaltbruchsteinen. Konkret blieben die Außenmauer und das Kellergewölbe des Gebäudes unangetastet, wogegen der moderne Latrinenschacht an der westlichen Fassade und aus Sicherheitsgründen auch die Zwischendecken abgetragen wurden. Einige tragende Elemente aus Holz waren so morsch, dass eine Rettung der historischen Bausubstanz nicht möglich war.

 

Bestand
Vom Hengsberger Hauptplatz gelangte man über eine zweiseitige Freitreppe in das Gebäude, dessen Erdgeschoß gut einen Meter über dem heutigen Platzniveau liegt. An der Rückseite befand sich der Garten, hier erreicht man über einen asphaltierten schmalen Weg einen weiteren Eingang in das Haus. Beide Eingänge führten in einen ca. 20 m² großen langgestreckten Vorraum (Raum 3), vom platzseitigen Zugang aus gelangte man über einen Stiegenaufgang in das obere Stockwerk. Reste davon konnten im archäologischen Befund nachgewiesen werden. Südlich des Vorraums schließt ein 38 m² großer Raum (Raum 1) an, der zum Teil unterkellert war. Der Scheitelpunkt des Ost–West orientierten Tonnengewölbes liegt nur wenig tiefer als das heutige Fußbodenniveau. Mauer- und Gewölbeziegel weisen idente Maße auf (28 x 15 x 5 cm). Im Norden schließen an den Vorraum zwei weitere Räume an, ein kleinerer im Westen (Raum 4) mit knapp 17 m² und im Osten ein geringfügig größerer Raum mit weniger als 20 m² (Raum 2). Bis auf einen Heizöltank im Raum 4 waren bis zum Eintreffen des Kulturpark Hengist-Archäologinnenteams sämtliche moderne Einbauten inklusive der Fußböden bereits entfernt.

 

Untersuchungsbereiche
Der maschinelle Abhub auf Bauniveautiefe wurde in sämtlichen Räumen unter archäologischer Aufsicht vorgenommen. Glücklicherweise war diese bereits nach Abtragen einer Schuttschicht erreicht und die unmittelbar darunterliegenden älteren Befunde konnten somit ordnungsgemäß manuell geputzt und dokumentiert werden. Dem großen Interesse der Auftraggeberin an ihrer Geschichte ist es zu verdanken, dass im Raum 2 weitergehende Untersuchungen vorgenommen werden durften. In einem 5 x 2 m großen Schnitt (Schnitt 4), der axial zum Raum angelegt wurde, war es möglich, Befunde gemäß der stratigrafischen Grabungsmethode bis zum gewachsenen (sterilen) Boden freilegen. Die Adaptierung des Gebäudes machte an der Westseite ein Unterfangen des Fundamentes notwendig, hier erfolgte eine temporäre Überwachung der Bauarbeiten (Schnitt 1 und Schnitt 3). Entlang der nördlichen Fassade (Schnitt 2) soll ein geschotterter Weg angelegt werden, daher war nur ein geringfügiger Eingriff in das bestehende Niveau vonnöten. Die Reste einer Ziegelmauer (Schnitt 5) legte der Bagger beim Anlegen einer Drainage im ehemaligen Garten frei.

 

Die archäologischen Untersuchungen
Der Maria-Theresianische Kataster von 1757, der erstmals genauere Besitzverhältnisse in Hengsberg angibt, bezeichnet das Gebäude als Pfarrschule. Im Franziszeischen Kataster von 1820 zeigt das Haus im Grundriss ein sehr ähnliches Erscheinungsbild wie heute, auf dem platzseitigen Eingangsportal ist auch die Jahreszahl 1819 eingemeißelt. Die nicht archäologischen Quellen belegen also an dieser Stelle ein Gebäude, das eine Schule beherbergte und im frühen 19. Jahrhundert vermutlich nicht neu errichtet, sondern nur umgebaut wurde.

Eine große Bedeutung bei der Datierung kommt im Fall des Gemeindeamtes der Schuttschicht zu, die in allen vier Räumen zwischen den modernen Fußböden und den darunterliegenden älteren Befunden aufgedeckt wurde. Diese enthielt eine große Menge an Funden wie Keramik- und Kachelfragmente, Glasfragmente, Tierknochen, Schlacken und Eisennägel. Die Gefäßkeramik konnte fast ausschließlich dem 17. Jahrhundert zugewiesen werden. Die Schuttschicht wurde vermutlich bei groß angelegten Umbauten oder überhaupt im Zuge eines Neubaus eingebracht. Ziegelböden (Raum 3 und 4) und die Reste von zwei Ost–West verlaufenden gemörtelten Bruchsteinmauern (Raum 2‑4) gehören zu einem Vorgängerbau, der leider nicht datiert werden kann, da entsprechendes Fundmaterial fehlt. Besagte Mauern konnten teilweise nur mehr über ihre jeweiligen Fundamentgräben nachgewiesen werden, das Steinmaterial fand also an anderer Stelle Wiederverwendung. Die Verfüllung dieser sogenannten Mauerausrissgräben enthielt ebenso zahlreiches Fundmaterial. Der Vorgängerbau hatte dieselbe Ausrichtung, wie auch eine weitere Mauer, die im Schnitt 3, außerhalb des Gemeindeamtes, freigelegt wurde. Diese konnte nicht genauer untersucht werden, ohne den Baufortschritt zu behindern. Möglicherweise handelt es sich dabei aber um die Reste eines Vorbaus. Im Raum 2 „durchschlug“ eine dieser Mauern eine ältere Grube, deren Ausdehnung und Funktion leider vorerst unbekannt bleiben muss, nachdem diese von der Pfarrschule überbaut wurde und nicht in ihrer Gesamtheit dokumentiert werden konnte. Fest steht nur, dass sie mit einer großen Menge an Brandschutt, bestehend aus Hüttenlehm, großen Estrichbruchstücken und verkohltem Holz, verfüllt war. Die Holzkohle und der Hüttenlehm sprechen für ein Haus in Holzbauweise, zwei Pfostengruben könnten ebenfalls zu dieser Konstruktion gehört haben. Der Estrich liegt aber inmitten des Brandschuttes und passt nur zu einem Gebäude mit Stein- oder Ziegelmauern. Demnach wurde der Schutt an dieser Stelle vermutlich nur entsorgt.

Der älteste im Bereich des Gemeindeamtes nachweisbare Befund konnte im Schnitt 1 dokumentiert werden. Ein seichter, Nord–Süd orientierter Graben enthielt nicht näher bestimmbare prähistorische Keramikfragmente.

Zu der freigelegten Ziegelmauer im Schnitt 5, in die auch einige Bruchsteine mitverbaut wurden, lässt sich aufgrund des gering erfassten Ausschnittes nur vermuten, dass es sich dabei um die Keller- oder Fundamentmauer eines abgekommenen Gebäudes handelt.

 

Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Gebäude und die Stelle, an der es erbaut wurde, eine lange Geschichte aufweisen. Hinterlassenschaften des prähistorischen Menschen in Form von kleinen Keramikscherben blieben ebenso erhalten wie Plastikrohre des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Wann genau das Haus errichtet wurde, konnte im Rahmen der archäologischen Untersuchungen nicht bestimmt werden. Das heutige Aussehen vor der Adaptierung geht aber vermutlich auf einen groß angelegten Umbau Anfang des 19. Jahrhunderts zurück, worauf wohl auch die Jahreszahl am Portal Bezug nimmt. Dabei wurden die Steinmauern eines Vorgängerbaues bis zu einer bestimmten Höhe abgetragen und darüber die Ziegelmauern hochgezogen. Im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert dürfte der Keller unterhalb von Raum 1 nachträglich in den Vorgängerbau eingebaut worden sein. Ein noch älterer Bau ist schließlich über zwei Mauern und den Rest von Ziegelböden belegt, über dessen Errichtungs- und Belegungszeit kann aber leider nichts ausgesagt werden. Da aber die Grube, die von einer dieser Mauern geschnitten wird, Fundmaterial aus dem 16. Jh. enthält, muss dieser Bau irgendwann zwischen dem 16. und 17. Jh. erbaut worden sein.

 

Literatur
Kraschitzer/Mandl 2018:
Johanna Kraschitze/Maria Mandl, Schulmeisters Tafelgeschirr?, Keramik des 17. Jahrhunderts aus der Alten Volksschule in Hengsberg, Hengist Magazin 2/2018, 6–9.
Ofner 1982: Paul Ofner, Hengistfeldon – Hengistiburg – Hengsberg, Graz 1982.
Pochmarski-Frad 1973: Edda Pochmarski-Frad, Die Pfarre Hengsberg bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Phil. Diss. Graz 1973.

 

Seite geändert am: 25.03.2020