Bericht zur archäologischen Ausgrabung „Im Rasental"

Christoph Gutjahr, ID: LBWI-66429-27. Siehe auch unter: 3D-Objekte, Hengist-Magazin Artikel, Fundorte

 

1. Vorbemerkungen

Im Rahmen zweier Projekte des AMS Steiermark, initiiert und getragen vom Verein „Kulturpark Hengist", fanden von Juni bis November 2006 sowie von Mai bis Oktober 2007 archäologische Notgrabungen in der Flur „Im Rasental" (KG Unterhaus, Gem. Wildon) statt. Neben dem AMS und dem Land Steiermark, die den überwiegenden Teil der finanziellen Kosten übernahmen, wurde die Notgrabung auch durch Subventionen des Bundesdenkmalamtes kofinanziert. Die Projekt- und Grabungsleitung hatte der Verf. inne. Den Grundbesitzern Franz Germauz, Ing. Thomas Keutz, Mag. Hermann Ofner und Ing. Christopher Stainez sei für das freundliche Entgegenkommen herzlich gedankt.

 

2. Naturraum und Kulturraum

Als Abschluss des weststeirischen Hügellandes trennt der Wildoner Berg (Buchkogel) das Grazer Feld vom Leibnitzer Feld. Dieser auch „Hoher Hengst" genannte Bergrücken stellt einen der markantesten Höhenzüge der Mittelsteiermark dar. Alle vier Hengist-Gemeinden haben Anteil am „Hohen Hengst", dessen höchste Erhebung (550 m) im Gemeindegebiet von Wildon liegt. Weitere prägende naturräumliche Elemente sind die Flüsse Mur, Kainach und Laßnitz.
Aufgrund ihrer günstigen topographischen Lage zog die Region seit der mittleren Jungsteinzeit (Anfang 5. Jahrtausend v. Chr.) Menschen an, die hier die ersten Bauerndörfer errichteten. Im Frühmittelalter war der Höhenzug namengebend für die Hauptburg der spätestens seit 970 bestehenden Mark an der mittleren Mur, deren Markgrafen ihren Machtbereich an der damaligen Grenze des Heiligen Römischen Reiches von der Hengistburg aus verwalteten und verteidigten. Dieser auch „Marchia Carentana" (Karantanische Mark) genannte Verwaltungssprengel bildete die Keimzelle der späteren Steiermark.

Zahlreiche archäologische Funde dokumentieren die überragende siedlungsgeschichtliche Bedeutung dieses Raumes. Insbesondere der am Zusammenfluss von Kainach und Mur gelegene Inselberg (Wildoner Schlossberg, 450 m) stellt einen der außerordentlichsten Fundorte des Südostalpenraums dar. Nach Ausweis der Funde der bislang unpubliziert gebliebenen Ausgrabungen des Landesmuseums Joanneum in den 1980er und 1990er Jahren setzt die Besiedlung im späten Neolithikum ein und dauert dann mehr oder weniger bruchlos (mit der Ausnahme einer längeren Zäsur vom 5. bis zum 8. Jahrhundert) bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts an. Vermutlich war der Schlossberg auch der Standort der erst 1053 urkundlich erwähnten Hengistburg. Eine große Wehranlage auf dem Wildoner Schlossberg ist jedenfalls im 9., spätestens aber 10. Jahrhundert anzunehmen.

 

3. Die Ausgrabungen in der Flur „Im Rasental"

Das direkt am Südfuß des Wildoner Schlossberges gelegene Grabungsareal wird mit fünf Einfamilienhäusern verbaut. Schon 1995 waren auf einer unmittelbar südlich gelegenen Parzelle hallstattzeitliche Brandgräber dem Bau eines Einfamilienhauses zum Opfer gefallen (BDA Fundnotiz); die archäologische Nachuntersuchungen konnte jedoch keine intakten Gräber mehr nachweisen(1).

Wie sich bei den Grabungen 2006 herausstellte, war an dieser Stelle bereits die Ost- bzw. Nordgrenze des hallstattzeitlichen Gräberfeldes erreicht. Im Mai 2006 traten bei der Ausschachtung eines Kellers auf einer westlich angrenzenden Parzelle zwei Gruben zu Tage, die überraschenderweise kein hallstattzeitliches, sondern frühmittelalterliches Keramikmaterial bargen und die offensichtlich in einen nur schwach kenntlichen spätrömischen Horizont eingetieft waren.

Außerdem war eine prähistorische Kulturschicht zu konstatieren. Eine Begehung des späteren Notgrabungsareals erbrachte genügend frühmittelalterliche Siedlungsspuren, um im Auftrag des Bundesdenkmalamtes eine archäologische Untersuchung des Bauareals durch ein zeitweise 30köpfiges Grabungsteam einzuleiten, die im Oktober 2007 beendet wurde.

In der Folge konnten einerseits die Reste einer in der Steiermark bislang einzigartigen, frühmittelalterlichen Besiedlung nachgewiesen werden, andererseits ein vorwiegend hallstattzeitliches Grabareal, wobei als Besonderheit nicht nur die Gräber selbst, sondern auch die zugehörigen Verbrennungsplätze befundet wurden.

 

4. Der archäologische Befund und die Funde

4.1. Die frühmittelalterliche Siedlung

Langhaus
Das Langhaus besitzt die Ausmaße von 16 x 4 m und gab sich durch abwechselnd tiefe und flache Pfostengruben im Abstand von jeweils 2 m zu erkennen. Bei mindestens drei Pfostengruben konnte anhand der Lage von Keilsteinen die absichtliche Aufgabe des Hauses durch das Herausziehen der Pfosten nachgewiesen werden.

Trockenmauerfundament mit Grube
Das zwei- bis dreilagige Trockenmauerfundament ist 3 m lang und rund 0,4 m breit. Unmittelbar daran anschließend befand sich eine flache Grube mit den Ausmaßen von 2 x 1,2 m, die sich durch Keramik besonders hoher Qualität auszeichnet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen hier die Überreste eines Hauses vor.

Ofen mit Pfostensetzungen
Festgestellt wurde der noch erhaltene, ovale untere Teil eines Backofens mit den Ausmaßen von 1,10 x 0,90 m, dem zwei Pfostensetzungen zugeordnet werden konnten.

Herdstelle mit Grube
Es handelt sich um eine rechteckige steinumstellte Herdstelle mit anschließender Grube. Sie besitzt die Ausmaße von 0,9 x 0,6 m, aufgebaut ist sie aus senkrecht gestellten plattigen Bruchsteinen. Die ovale Grube ist 1, 7 m lang und 1,4 m breit. Vermutlich handelt es sich um die Überreste eines Hauses.

Weitere Siedlungsobjekte
Im Übrigen wurden mindestens zwei weitere Gebäude in Ständerbauweise nachgewiesen, über deren Ausmaße noch keine detaillierten Angaben gemacht werden können.

Aus den Siedlungsbefunden stammen zahlreiche Tierknochen, eine eiserne Geschoßspitze und die bislang umfangreichsten stratifizierten Keramikfunde aus einer frühmittelalterlichen Ansiedlung in der Steiermark. Es handelt sich zum einen um die typisch frühmittelalterliche Keramikart mit Carbonat als Magerungsmittel, zum anderen um hauptsächlich mit Quarzsand gemagerte Scherben, wie sie beispielsweise vom Wildoner Schlossberg und vom Kirchberg Deutschfeistritz (Bez. Graz-Umgebung) bekannt sind. Der Ton wurde vorwiegend sehr stark mit sehr groben Magerungspartikeln versetzt.
Die Oberfläche der mit Carbonat gemagerten Gefäße ist von der Auswitterung der Magerungsteilchen gekennzeichnet. Die Keramik vermittelt daher einen porösen bzw. porigen Eindruck (Porenton), wie er für das Frühmittelalter in der Steiermark signifikant ist. Unter anderem kennt auch die Mehrzahl der Töpfe aus dem Gräberfeld von Grötsch (um 800 n. Chr., Bez. Leibnitz) eine derartige Magerung. Nur die Töpfe aus den Gräbern 36 und 52 sind dort mit grobem Quarzsand gemagert und verfügen dementsprechend ebenso wie die Rasentaler Keramikfragmente über eine sich sandig-rau anfühlende Oberfläche.

Die Rasentaler Keramik ist fleckig gebrannt, farblich herrschen bräunliche Töne, zum Teil ins rötliche übergehend, vor. Die Randformen sind entweder steil ausladend oder leicht gerundet ausladend, in den meisten Fällen aber mehr oder weniger schräg abgestrichen. Interessanterweise zeigt sich in einigen Fällen die Tendenz zu einer dachförmigen Gestaltung, wie sie eigentlich erst für spätere Phasen des Mittelalters charakteristisch ist.

Die Gefäße wurden in Aufwulsttechnik frei aufgebaut und waren zumindest am Rand, meist jedoch unter Einschluss der Schulterpartie auf einer drehbaren Unterlage nachgedreht. Einige Scherben weisen eine sehr qualitätvolle Machart mit nahezu gleichmäßiger Wandstärke fast ohne Unebenheiten auf, was nahe legt, dass die Gefäße auf einer gleichmäßig rotierenden, gut gelagerten
Handtöpferscheibe vollständig überdreht wurden. Das Vorhandensein einer bereits zentriert gelagerten Töpferscheibe wird außerdem durch die dachförmig gestalteten Ränder untermauert.
Als Verzierungen treten vor allem mit einem Kamm gezogene Wellenbänder auf, die flacher oder steiler, regelmäßiger oder unregelmäßiger ausgeführt sein können. Weiters erscheinen zum Teil sehr unregelmäßige Wellenlinien. Daneben sind Horizontalrillen (u. a. in Kombination mit Wellenbändern) und sehr vereinzelt Kammstich belegt. Besonderer Beliebtheit erfreute sich offensichtlich ein girlandenartiger Dekor, der von zahlreichen Scherben aus mehreren Gruben vorliegt. Allgemein ist die Verzierung vor allem auf der Schulter bis zum Bauchumbruch der Töpfe angebracht, sehr vereinzelt wurde auch noch die Unterseite der Gefäßböden miteinbezogen.

Vorläufig ist die Keramik vom späten 8. bis in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts n. Chr. zu datieren. Bislang wurden in der Steiermark nur einige wenige isolierte Siedlungsgruben des Frühmittelalters aufgedeckt (z. B. Enzelsdorf, Bez. Graz-Umgebung; Kindberg, Bez. Mürzzuschlag; Komberg, Bez. Leibnitz; St. Ruprecht a. d. Raab, Bez. Weiz) oder es ist lediglich unstratifiziertes Keramikmaterial vorhanden (z. B. Kirchberg von Deutschfeistritz, Bez. Graz-Umgebung).

Ende und Nachnutzung des frühmittelalterlichen Siedlungsplatzes
Das Areal der frühmittelalterlichen Siedlung ist mit mindestens vier durch Erosion entstandenen Gräben durchzogen, an deren Sohle Schwemmschichten nachgewiesen werden konnten. Dies lässt den Schluss auf eine durch starke Niederschläge hervorgerufene Zerstörung der Siedlung zu: Nach ungewöhnlich schweren Regenfällen riss das hangabwärts fließende Wasser vier mindestens bis zu 0,5 Meter tiefe Gräben im Bereich der Siedlung. Danach wurde sie offensichtlich aufgegeben: Die Pfosten der Ständerbauten wurden herausgezogen und die Gräben relativ aufwändig mit zerschlagenem Flussgeschiebe verfüllt und die Terrasse im Norden erweitert. In der Folge nutzte man die Fläche landwirtschaftlich, wobei den mit Flussgeschiebe gefüllten Gräben nun eine drainageartige Funktion zukam.

 

4.2. Der hallstattzeitliche Bestattungsplatz

Festgestellt werden konnte ein durch ein „Palisadengräbchen" (im Westen) streng abgegrenztes Bestattungsareal mit 32 gesicherten und zwei weiteren vermutlichen Gräbern und daran anschließenden Verbrennungsplätzen sowie vier Gruben unbestimmten Charakters.

32 Gräber: Soweit zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu ermessen, datieren vier Gräber urnenfelderzeitlich, die übrigen in Ha C. Es liegt eine Vergesellschaftung von Flach- und Hügelgräbern (z. B. Objekte 38, 42 und 78) vor. Bemerkenswert sind die differenzierten Bestattungssitten der Objekte 38 und 42 bei gleicher Grabform. Besonders hervorzuheben sind sieben Gräber mit den Objektnummern 38, 42 51, 74, 76, 85 und 104/105.


Objekt 38: quadratische Grabgrube mit den Ausmaßen von 1,5 x 1,5 m, Grabkammer mit Holzbohlen und Steinsetzung; der Leichenbrand wurde offensichtlich in einem sackförmigen, organischen Behältnis in das Kegelhalsgefäß gelegt. Im Norden konnte 2007 der Teil eines kreisförmigen Grabens nachgewiesen werden, in dessen Zentrum Objekt 38 liegt. Ausstattung von Objekt 38: zwei große Kegelhalsgefäße, eines davon aufwändig plastisch verziert, ein Kragenrandgefäß, Reste eines weiteren großen Gefäßes, ein kleiner Topf, zwei Einzugschalen, eine Turbanrandschale, eine profilierte Schale, eine Tasse, zwei Spinnwirtel, sechs Fibeln, darunter zwei kleine Kahnfibeln, zwei große Knotenfibeln (L. 15 cm) sowie eine kleinere Knotenfibel (L. 8 cm) und eine verzierte Bogenfibel.

Objekt 42: flache Grube, Form nicht mehr feststellbar, Befund ungestört wiewohl das Grab vom Bagger bestoßen ist, L. der Grube rund 2 m, eben liegend die Fragmente von mindestens fünf äußerst qualitätvollen, zerscherbten Gefäßen, der Leichenbrand in einem organischen Behälter untergebracht, besonders hervorzuheben ist ein großes, äußerst dünnwandiges, graphitiertes Gefäß mit aufwändigen, feinen Ritzerzierungen, Kegelhalsgefäß in Form und Verzierung gleich wie das aus Objekt 38. Das Objekt 42 liegt rund 20 m von den übrigen Gräbern entfernt.

Objekt 51: gleichzeitige Grube am Fuß der Bestattung Objekt 42 mit Passscherben aus der Verfüllung der Bestattung, mehrere Gefäße, am Fuß der Grabgrube Niederlegung von mindestens sieben, wahrscheinlich acht Webstuhlgewichten (verschieden und paarweise auftretend), zwei Tonspulen und zwei „Spinnwirtel". Die pyramidenförmigen Webstuhlgewichte tragen trotz unterschiedlicher Größe an der Basis die gleiche H-förmige Marke.

Objekt 74: mit Steineinbau mit einem Durchmesser von drei Metern. Der Grabhügel enthält eine quadratische Grabkammer mit 1,20 Metern Seitenlänge. Es gelang einen bisher ungewöhnlichen und komplexen Bestattungsvorgang nachzuweisen. Zuerst wurde das Gelände planiert, danach der Ort der Grablege mit sechs Steinen markiert und daraufhin mit großen Teilen der Brandschüttung sowie mindestens zwei intentionell zerschlagenen Gefäßen (unverbrannt), eine große, verzierte Schale (Dm. 40 cm) und ein größerer Topf, bedeckt. Erst dann wurde auf dieser Fläche eine kammerartige Steinumstellung errichtet und darüber die Steinpackung des Hügels geschlichtet. Obwohl die Bestattung zunächst schwer gestört wirkte, gelang durch die Stratigrafie der Nachweis, dass es sich in Wirklichkeit um eine zwar ungewöhnliche, aber völlig intakte Grablege handelt. Leichenbrand und Fragmente der großen Schale und des Topfes fanden sich unter der oben erwähnten, völlig ungestörten kammerartigen Steinsetzung. Letzterer ist nach außen hin apsidenförmig, nach innen ein nach Nordwesten offenes Quadrat (Seitenlänge 1,5 m).

Objekt 76: Im oberen Bereich eine alte Baggerstörung, daher ist die Grabkonstruktion nicht völlig gesichert, wiewohl rekonstruierbar. Im Nordwesten und Südosten der Bestattung befanden sich zwei lockere Reihen aus Leithakalk- und Sandsteinblöcken, so dass von einer annähernden Nordwest-Südost Orientierung auszugehen ist (Ausmaße ca. 1,80 x 0,9 Meter). Dies deutet eher auf eine Steinkiste als auf einen Grabhügel hin. An Funden liegen vor: eine verzierte Einzugsschale (Rdm. 18 cm), ein großer verzierter Kegelhalstopf, der als Urne diente, und zwei Spinnwirtel. Etwas vom Bagger verzogen lagen zwei pyramidenförmige Webstuhlgewichte mit kreuzförmiger Markierung an der Basis. Das Hauptinteresse gilt jedoch den Beigaben in der Füllung der Urne. Hierbei handelt es sich um zwei mit Ritzlinien reich verzierte Kahnfibeln, vier Spinnwirtel sowie viele gut erhaltene Eisenfragmente, deren Deutung ohne Restaurierung nicht möglich ist.

Objekt 85: Steinkistengrab mit den Ausmaßen von 2 x 1,2 m, rechteckig mit etwas gerundeten Ecken, Westsüdwest-Ostnordost orientiert, die Grablege wird gebildet von einer großen, rechteckigen Sandsteinplatte (1,80 x 1 x 0,12 m) sowie zwei nach innen geneigten, vollständig erhaltenen Sandsteinplatten (1,60 x 0,5 x 0,12 m). Dadurch waren die Grabbeigaben von ihnen dachartig bedeckt. Auf der Bodenplatte standen die Gefäße. Innerhalb der Steinsetzung befanden sich sechs gut erhaltene Gefäße: Ein Kegelhalstopf (Urne), drei verzierte Zylinderhalsgefäße, eine Einzugschale sowie eine Tasse auf der Urne. Besonderes Interesse gebührt einem Topf mit zylindrischem Hals und bikonischem Körper (untere Gefäßhälfte leicht konkav). Auffällig ist weiters der stark glimmerhältige, feingemagerte Ton dieses hart gebrannten Gefäßes. Die Gefäßform, zusammen mit den Zylinderhälsen der übrigen zwei Gefäße, legt eine Datierung in die mittlere Urnenfelderzeit nahe. Gräber dieser Zeitstellung sind in der Steiermark äußerst selten.

Objekt 104/105: Annähernd rechteckige Grube mit leicht verziegelten Wänden, ca. 1,80 x 0,9 m, Südwest-Nordost orientiert, im Südwesten mindestens drei Gefäße (Topf, kleiner Kegelhalstopf, Schale), im Nordosten die Brandschüttung (0,9 x 0,6 m) mit reichlich Holzkohle und reichlich kalzinierten Knochen, verbrannte Bronze- und Eisenfragmente und vor allem über 220, teilweise stark verschmolzene, vorwiegend grün-blaue Glasperlen (Dm. bis 3–4 mm).

Drei Verbrennungsplätze
Die Verbrennungsplätze liegen durchschnittlich 6 m bis 8 m westlich der Gräber und besitzen die Ausmaße von ungefähr 2 x 1,5 m. Besonders typisch ist das Objekt 20, aus dessen komplexer Schichtabfolge ein Bestattungs- bzw. Verbrennungsritus zu rekonstruieren ist:
Zunächst hob man eine rechteckige Grube von 0,6 x 0,5 m und einer Tiefe von 0,2 bis 0, 3 m aus. Diese wurde verfüllt mit reichlich qualitätvoller, unverzierter, absichtlich zerscherbter Keramik, reichlich Tierknochen und zerbrochenen Flussgeschiebesteinen. Unmittelbar auf die Verfüllung der Grube folgt eine verziegelte Schicht (bis zu 0,08 m dick) mit den noch nachweisbaren Ausmaßen von 1,10 x 0,5 m, die auf den eigentlichen Einäscherungsvorgang zurückzuführen ist. An den Längsseiten dieser verziegelten Fläche lagen Konzentrationen größerer Keramikfragmente offensichtlich intentionell zerbrochener, größerer, wahrscheinlich nicht mitverbrannter Gefäße. Über dem Ganzen war eine stark aschige Schicht mit vielen kalzinierten Knochensplittern (Leichenbrand), wenig Keramik, verschmolzenen Bernsteinfragmenten aber auch einzelnen Bernsteinperlen und mindestens einer Glasperle zu konstatieren. Der Verbrennungsplatz wurde lediglich für eine Bestattung benützt. Die eingangs beschriebene, zuunterst liegende Grube dürfte mit einem unmittelbar der Verbrennung bzw. dem Errichten des Scheiterhaufens vorausgehenden Totenmahl in Verbindung stehen. Ähnliche Charakteristiken weisen die Objekte 35 und 53 auf.

Vier Gruben unbestimmten Charakters
Aus den vier Gruben stammen u. a. Keramik (z. B. Fragmente von Stierkopfgefäßen und eine Miniatureinzugschale, vermutlich ein Kinderspielzeug), Feuerbockfragmente, Bruchstücke von verziertem Wandverputz aus Lehm, Tierknochen und Bronzen (z. B. Pfeilspitze). Allen Gruben gemeinsam ist ein relativ hoher Anteil an Rohbernstein.

 

5. Die besondere Bedeutung des Fundplatzes Rasental

5.1. Frühmittelalter
Die frühmittelalterliche Siedlung (Weiler, Gehöft) „Im Rasental" muss als Burguntersiedlung im Zusammenhang mit einer ersten Burganlage auf dem Wildoner Schlossberg gesehen werden. Damit erhärtet sich die bisher umstrittene Hypothese, dass der Wildoner Schlossberg im Frühmittelalter die für die territoriale Entwicklung der Steiermark so bedeutende Hengistburg trug, die Hauptburg der frühmittelalterlichen „Karantanischen Mark", aus der sich im Laufe der Zeit durch Gebietsgewinne im Zuge von Verheiratungen und Vererbungen unter den Geschlechtern der Eppensteiner, Otakare und Babenberger das Bundesland Steiermark (inkl. der heute slowenischen Untersteiermark) entwickelte.
Die Frühmittelalterarchäologie in der Steiermark ist auch nach mehr als 100jähriger Forschung noch nicht den Kinderschuhen entwachsen. Insbesondere gilt dies für die keramikorientierte Beschäftigung mit frühmittelalterlichem Fundgut, bei der man nur auf sehr wenige Vorarbeiten zurückgreifen kann. Zwar wurden gerade in den letzten Jahren mehrere Beiträge aus dem Bereich der frühmittelalterlichen Forschungsdisziplin veröffentlicht, diese hatten aber vorwiegend Themen aus dem Umfeld der Gräberarchäologie zum Inhalt. Damit verbunden erfolgten zum Teil auch motivgeschichtliche und ikonographische Untersuchungen zu einzelnen Fundobjekten, in erster Linie an den oftmals emaillierten Scheibenfibeln. Das genannte publikatorische Schaffen spiegelt allerdings weniger einen von der archäologischen Forschung vorgegebenen Arbeitsschwerpunkt wider, sondern ist eher Ausdruck des derzeitigen Forschungsstandes. Dieser schlägt – wenn auch selbst recht bescheiden – eindeutig zu Gunsten der Gräberarchäologie aus. Frühmittelalterliche Siedlungen (z. B. St. Ruprecht an der Raab, Bez. Weiz; Enzelsdorf, Bez. Graz-Umgebung) oder frühe Burganlagen (z. B. Kirchberg bei Deutschfeistritz, Bez. Graz-Umgebung; Schlossberg von Wildon, Bez. Leibnitz; Ulrichsberg bei Deutschlandsberg, Bez. Deutschlandsberg), die auch Aufschluss über frühmittelalterliches Töpferwerken gäben könnten, waren bisher nur in sehr eingeschränktem Ausmaß Gegenstand archäologischer Grabungen oder harren nach wie vor einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Aus geschlossenen Fundkomplexen ist frühmittelalterliche Keramik bislang fast nur als Komponente von Grabinventaren bekannt, welche aber mit wenigen Ausnahmen noch unpubliziert sind. Es besteht also letzten Endes ein eklatanter Mangel an gut befundetem und stratifiziertem Keramikmaterial, das erste Ansätze für eine Relativchronologie bieten könnte.
Der Kenntnisstand zur Keramik des Frühmittelalters in der Steiermark, hier in etwa als Zeitraum vom 7. bis Mitte des 11. Jahrhunderts verstanden, ist also schlicht und einfach als kläglich zu bezeichnen, vor allem was Siedlungskeramik anbelangt. Leider gilt dies nicht nur für die Steiermark, sondern auch für Kärnten und – wenn auch mittlerweile in beträchtlich geringerem Ausmaß – für das südlich angrenzende Slowenien, also für einen geografisch relativ weit zu fassenden, historisch aber eng zusammengehörigen Raum. Man ist daher angehalten, Vergleiche aus teils weit entfernten Gebieten mit nicht immer vergleichbaren historischen Entwicklungen und ethnisch unterschiedlich zusammengesetzter Bevölkerung heranzuziehen und sich mangels einer eigenen inneren Chronologie an äußere Chronologiesysteme anzuhängen. Fraglich ist auch, inwieweit sich Siedlungskeramik so einfach mit Grabkeramik vergleichen lässt. Auch darf die sich im Frühmittelalter verstärkt abzeichnende Regionalität mit der Existenz verschiedener Töpferwerkstätten und damit verbunden die Präsenz zahlreicher lokaler Keramikvarianten nicht unterschätzt werden.

5.2. Hallstattzeit
Die vermutlich insgesamt 34 Gräber (davon vier urnenfelderzeitlich) stellen in Verbindung mit den drei aufgedeckten Verbrennungsplätzen und der Nord–Süd verlaufenden Einfriedung ein nicht nur für die Steiermark außergewöhnliches „Funeralensemble" dar.

Ganz offensichtlich diente die Pfostenstellung einst als westliche Begrenzung des Gräberfeldes. Das Gräberfeld selbst gibt sich als ein von Norden nach Süden verlaufender Streifen zu erkennen und besteht sowohl aus Flach- als auch aus Hügelgräbern.

Die Rasentaler Hallstattgräber gehören zu den wenigen gut stratifizierten und modern ergrabenen eisenzeitlichen Gräbern der Steiermark und stellen zum gegenwärtigen Zeitpunkt einige der wenigen gesicherten Flachgräber der „Sulmtaler Gruppe" der südostalpinen Hallstattzeit dar. Einige der Gräber, insbesondere die weibliche Bestattung aus Objekt 51, zeigen einen äußerst komplexen Aufbau. Die Grabkeramik, besonders die der Objekte 38 und 42 ist von exorbitanter Qualität, was die teils ungewöhnlich dünne Wandstärke und die Verzierung anbelangt. Besonders hervorzuheben ist weiters das Objekt 85. Über die Grabbeigaben wird eine Zeitstellung in die mittlere Urnenfelderzeit (um 1000 v. Chr.) nahe gelegt. Gräber dieser Zeitstellung sind in der Steiermark äußerst selten.
Die Bedeutung des Wildoner Raumes in der späten Bronze- und frühen Eisenzeit wird gerade anhand mehrerer dort aufgedeckter Gräberfelder ersichtlich, die vermutlich ausnahmslos mit einer großen Siedlung am Wildoner Schlossberg in Zusammenhang stehen:
Zwei, vielleicht sogar drei Gräberfeldern sind die rund 240 urnenfelder- bis frühhallstattzeitlichen Gräber zuzuschreiben, die erst 2004 in Kainach bei Wildon, Gem. Weitendorf entdeckt wurden (Grabungsleitung Verf.); 1985/87 kamen bei der Hauptschule Wildon am Ostfuß des Schlossberges 36 Gräber zum Vorschein, am Nordwestfuß des Buchkogels befindet sich ein aus 15 Tumuli bestehendes, gut erhaltenes Hügelgräberfeld, dessen Mittelpunkt von einem beachtlicher Großgrabhügel (Tumulus 2) mit 40 Metern Basisdurchmesser und einer noch erhaltenen Höhe von 4 Metern gebildet wird. 2006 wurde der Tumulus 4 dieses Gräberfeldes einer archäologischen Untersuchung unterzogen (Grabungsleitung Verf.). Aus dem offensichtlich im 19. Jahrhundert beraubten Hügelgrab stammen u. a. Fragmente von Kegelhalsgefäßen mit frühhallstattzeitlicher Basarabi-Verzierung. Dem Schlossberg nordwestlich vorgelagert liegt der sog. Galgenkogel, der bereits Ende der 1920er Jahre anlässlich eines Hausbaues teilweise erforscht wurde. In unmittelbarer Umgebung sind heute noch weitere Grabhügel im Gelände erkennbar. Aus dem Galgenkogel stammen u. a. mehrere Bronzen sowie ein Kegelhalsgefäß mit zoomorphen Bronzeappliken. Ein in der Nähe des Hügelgräberfeldes Buchkogel bei einem Kanalbau zu Vorschein gekommenes Grab aus der Zeit um 600 v. Chr., wohl Teil eines kleinen bislang unbekannten Gräberfeldes, wurde erst unlängst vorgelegt.
Diesen Gräberfeldern rund um den Wildoner Schlossberg gesellt sich nun mit dem Rasentaler Bestattungsplatz ein weiteres dazu. Die nach modernen Methoden ausgegrabenen Gräber erlauben einen Einblick in gesicherte Fundvergesellschaftungen und Bestattungssitten dieser Zeitstufe, eine Qualität der Ausgangssituation, die der Vorlage von Arbeiten zur Chronologie der Hallstattzeit in der Steiermark anhand von Altgrabungsmaterial und auseinander gerissenen Grabkomplexen bisher oftmals notgedrungen fehlen musste.
Das äußerst reich ausgestattete Objekt 38 aus dem Rasental kann mit seiner Vergesellschaftung von Keramik und sechs Fibeln mit Sicherheit eine Schlüsselstellung in der chronologischen Bewertung der Hallstattzeit im Südostalpenraum einnehmen. Auch bietet sich möglicherweise im Rasental anhand einer Passscherbenanalyse die einmalige Gelegenheit, einen Verbrennungsplatz einer bestimmten Bestattung zuschreiben zu können. Von besonderem Interesse ist weiters die Frage nach Sorgfalt und Auswahl des Ausklaubens eines Verbrennungsplatzes – Was wurde von der Einäscherungsstelle in die Grablege mitgenommen, was nicht und warum?