ID: LBGR-66154-02 (Leibnitz.66154.2; FKat. 690-188/2); Bezirk: Leibnitz; Gemeinde: Gralla; KG: Obergralla; Gst. Nr.: 855; 858; 861; 864; 867; 868; 871/1; 872; 875; 876; 879; 885/1; 886/1; Flur: Kogeläcker, Trümmeräcker; BDA-ObjektID: ArD-6-032 (Bescheid); Zustand/Status: Acker, unter Denkmalschutz, größtenteils ungestört; Fundverbleib: zum Teil UMJ.

 

Zeitstellung: Villa= Römerzeit, spätes 1., 2., 3., Spätantike 4./5. Jh.; Körpergräber= Römerzeit bis Neuzeit. 
Befund: Villa rustica; Körperflachgräbergruppe; Siedlung.

 

Forschungsgeschichte:

Seit den 1860er Jahren Erwähnungen in der Literatur.
1866: Grabung durch den k.k. Hauptmann in Pension Moriz von Grünfeld, vgl. UMJ Akt 33/1866 vom 21.03 1866.
1884: „Grabung" durch den damaligen Grundeigentümer Florian Pichler.
1963 April 25: Begehung durch Konrad Zeilinger vom Landesmuseum Joanneum und zweier Angestellter der Steweag.
1982 März 02: Begehung (Bericht) durch den Archäologen Dr. Gerald Fuchs und OSR Eduard Staudinger.
1987: Fundstellenerhebung durch den Archäologen Dr. Gerald Fuchs.
1987 Juni 27: Begehung (Bericht) und Fundaufsammlung durch den Archäologen Dr. Gerald Fuchs und Studenten der UNI Graz.
1994: Baubeobachtung im Auftrag des Bundesdenkmalamtes durch die Firma ARGIS.
1998 Oktober 02: Ersuchen des Bundesdenkmalamtes Graz (GZ.: 1432/1a/1998) um Ausweisung der Fundstelle im Flächenwidmungsplan.
2007 März (17.–18./30.–31.): Geophysikalische Messungen und ein Survey mit der Aufsammlung von Oberflächenmaterial durch das Österreichische Archäologische Institut.
2009 Mai 12: Nach einem Bescheid des Bundesdenkmalamtes Wien (GZ.: 52.481/3/2009) wurde die Fläche unter Denkmalschutz gestellt.
2014: Fundstellenerhebung im Rahmen des Projektes InterArch-Steiermark, KPH.

 

Lage/Beschreibung:

Im Ackerland zwischen Bachsdorf und Altgralla liegen östlich der A9-Pyhrnautobahn auf der Niederterrasse der Mur in ca. 80 m Entfernung vom rechten/westlichen Flußufer die ausgedehnten Überreste einer großen römerzeitlichen Villananlage, villa rustica Obergralla, deren Schutt noch als teilweise bis zu 1,50 m hohe Erhebung das Umland überragt. Die Villa lag in ihrer Benützungszeit direkt am Fluß bzw. an einem Nebenarm des Flusses. Seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden hier römerzeitliche Funde entdeckt und kleinere Grabungen durchgeführt. Die aufgesammelten Funde ergeben die Benutzung der Villenanlage vom späten 1. bis zum 4. Jh. n. Chr. mit einem Schwerpunkt ab der Mitte des 2. Jh. n. Chr. Nach mehreren Bodeneingriffen, wie Ackerbau und kleinere Grabungen als auch die Errichtung mehrerer Hochspannungs- und Stromleitung mit zahlreichen mächtigen Strommasten im nördlichen Teil der Villenanlage sowie der Kanalbau am Westrand der Villa, wurde das Gelände auf dem sich die Villa befindet schließlich im Jahre 2009 unter Denkmalschutz gestellt. Nach dem Bescheid des Bundesdenkmalamtes Wien hat „die Villa von Obergralla mit etwa 20.000 m2 eine ungewöhnliche Größe, die wohl ihre überragende, durch die Lage sowohl am Wasser- als auch am Landweg – die Straße zum nahe gelegenen municipium Flavia Solva wird wenig westlich der Villa verlaufen sein – begünstigte (land-) wirtschaftliche Rolle widerspiegelt. Größe und geschlossene Erhaltung geben der – durch archäologische Grabungen bislang kaum näher erforschten – römerzeitlichen Villa von Obergralla eine besondere überregionale geschichtliche und kulturelle Bedeutung."

Auf dem Areal der Villa befindet sich auch noch ein Flachgräberfeld unbestimmter Zeitstellung.

Bei einer Grabung durch den k.k. Hauptmann in Pension Moriz von Grünfeld im Jahre 1866 wurden Mauerreste, Ziegeln, Bruchstücke von Wandmalereien und dergleichen festgestellt. Aus dem 55. Jahresbericht des Landesmuseum Joanneum geht hervor, dass Grünfeld dem Landesmuseum „drei Mörtelfragmente mit rothen und gelben Malereien aus Nachgrabungen bei Gralla" sowie eine kupferige Schlacke (Akt 33/1866) schenkte. Knabl, der am 10. und 16. April 1866 die Fundstelle in Obergralla besichtigte, stellte „ein längliches Viereck, das beiläufig 4 Joche [1 Joch= 5754,642 m2] Flächeninhalt bildet", fest. Vergleiche hierzu auch den Artikel von Kenner, wobei die Interpretation (z.B.: als römisches Reiterlager) des damals noch kenntlichen großen Mauergevierts recht spekulativ blieb. Pichler berichtet 1879 über den Fund von Mauern, Ziegeln, Farbwand, Estrich und Münzen der Kaiser Probus (reg. 276–282 n. Chr.) und Licinius (reg. 308–324 n. Chr.).

Aus einem Bericht des Grundeigentümers Florian Pichler und des Lehrers A. Post vom 22. Juli 1894 geht hervor, dass im Jahre 1884 unsachgemäße Grabungen hier und u. a. auch im Bereich des Hügelgräberfeldes in Bachsdorf beim Vobiannerlwirt von Pichler vorgenommen wurden.

Er konnte 2 Körpergräber neben den Mauern feststellen und grub bis zu den Fundamenten der Gebäude hinunter. Über den Estrichen waren die Räume mit Schutt und gelb und blau bemalten Mörtelputz verfüllt.

Nach dem 2. Weltkrieg fanden oftmalige Begehungen, Fundaufsammlungen und auch Baubeobachtungen auf dem Gebiet der römerzeitlichen Villa statt. 1963 bei der Begehung durch Konrad Zeilinger vom Landesmuseum Joanneum wurden an der Ackeroberfläche zahlreiche Keramikfragmente, Ziegelbruchstücke, Mörtel und Holzkohle festgestellt und eine Münze des Kaisers Constantin II. (reg. 337–340 n. Chr.) gefunden.

Am 27.06.1987 konnte Gerald Fuchs zusammen mit Studenten der UNI Graz auf einer „ordentlichen Bodenerhebung" eine große Anzahl an Oberflächenfunden feststellen. Das Areal, das stark durch den Ackerbau gefährdet war und nach wie vor ist, erfasste er damals mit einer Größe von ca. 70 x 120 m.

Die Gruppe konnte „massenhaft" Dachziegel, Firstziegel, tubuli, Keilziegel, Bruchsteine, Keramik und Verputzstücke mit Malerei feststellen. Die datierbaren Funde waren in der Masse spät. Es gab ganz wenig Material des späten 1. bzw. 2. Jh´s., etwas spätantike Keramik, aber größtenteils stammen die Funde aus dem 3.–4./5. Jh. n. Chr. Fuchs vermerkte schon damals, dass eine Unterschutzstellung dringend notwendig wäre. 1994 wurde bei der Baubeobachtung durch die Firma ARGIS im Zuge von Kanalbauarbeiten eine weitreichende Kulturschicht mit Dach- und Hypokaustziegeln, Gefäßkeramik und Bruchsteinen am Westrand der Villa festgestellt.

Vom 17.–18. sowie vom 30.–31.03.2007 wurde eine geophysikalische Prospektion und ein Oberflächensurvey durch das Österreichische Archäologische Institut, J. Coolen, St. Groh, V. Lindinger und H. Sedlmayer, in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Verein Flavia Solva, dem Bundesdenkmalamt und dem Landesmuseum Joanneum durchgeführt. Die Ergebnisse und einen ausführlichen Artikel zur Villa Obergralla finden sie unter http://www.academia.edu/804214/The_Roman_Villa_Rustica_of_Obergralla_Austria bzw. S. Groh, V. Lindinger, H. Sedlmayer, Forschungen zur römischen Villenlandschaft im Territorium von Flavia Solva: Die Villa Rustica von Obergralla, Schild von Steier 20, 2007, 219–252.

Die Anlage wird an den flussabgewandten Seiten im Norden, Westen und Süden durchgehend von Mauern begrenzt. An der Ostseite ist die Anlage zur Mur hin offen. Die Innenfläche beträgt ca. 16.500 m2 und samt Außenfläche zur Mur 20.600 m2. Innerhalb des so entstehenden, etwa 30° aus der Ost–West–Richtung gedrehten, annähernd quadratischen Rechtecks von 127 x 130 m liegen nach den geophysikalischen Messungen mehrere Bauten. Im Nordwesten die Wohn- und Badegebäude um einen zentralen Innenhof. Im Nordosten die Wirtschaftsgebäude und im Südosten ein großer, als (Getreide-) Speicher anzusprechender weiterer Bau. Der Wohnbereich, die pars urbana, ist vom weniger dicht verbauten Wirtschaftsbereich, der pars rustica, durch eine Mauer getrennt. Die Mauern wurden aus Steinen errichtet. Fundamentgräben von Holzgebäuden und Pfostenbauten konnten keine nachgewiesen werden. Die Straßentrasse führte vermutlich an der Westseite der Anlage vorbei und ist durch Grabhügel und Grabbauten in Hasendorf und Bachsdorf belegt. Eine Anlegestelle am Murufer konnte offensichtlich nicht nachgewiesen werden. An Funden herrscht das bereits bekannte Fundspektrum vor, wie Steine, Gefäß- und Baukeramik und auch Werkstattabfälle anhand eines Webstuhlgewichtes und Schlacke.
 

Bibliographie:

ALFS 1988: G. Fuchs, I. Kainz, Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Projekt P 5829, Archäologische Landesaufnahme und digitaler Fundkataster für Steiermark, Projektleiter E. Hudeczek, Jahresbericht 1988, Graz 1988, 59.
DB 1987: UMJ-ARCH, Datenblätter BH Leibnitz A–R, Gralla (G. Fuchs 1987).
Groh/Lindinger/Sedlmayer 2007: S. Groh, V. Lindinger, H. Sedlmayer, Forschungen zur römischen Villenlandschaft im Territorium von Flavia Solva: Die Villa Rustica von Obergralla, Schild von Steier 20, 2007, 219–252=
= http://www.academia.edu/804214/The_Roman_Villa_Rustica_of_Obergralla_Austria.
JJ 1867: III. Kunst- und Antikenkabinet, JJ 55, 1866, Graz 1867, 22.
Karl/Modl/Porod 2009: S. Karl/D. Modl/B. Porod (Hrsg.), Katalog Archäologiemuseum Schloss Eggenberg, Schild von Steier 22/2009, 120 Nr. 672.
Kenner 1866: F. Kenner, Nachtrag zu den neuesten Funden auf dem Leibnitzer Felde, Mittheilungen der k. k. Central-Commission 11, Wien 1866, CXXII ff.
Knabl 1867: R. Knabl, Römische Inschriften nach der Zeitfolge ihres Auffindens als Fortsetzung der Epigraphischen Exkurse, Mittheilungen des Historischen Vereins für Steiermark, 15. Heft, Graz 1867, 196 ff. (197, 199 ff.).
Lamm/Marko 2012: S. Lamm/P. Marko, Römerzeitliche Villen in der Steiermark, Schild von Steier 25/Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 58, Graz 2012, 24 ff. (nur Kartenvermerk).
Meixner 1870: A. Meixner, III. Bericht über antiquarische Funde in der Pfarre St. Georgen a. d. Stiefing im Lauf des Jahres 1869, Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark, 18. Heft, Graz 1870, 133 ff. (135, 136).
Pichler 1879: F. Pichler, Text zur archäologischen Karte von Steiermark. Graz o.J. (1879), 16, 35.
Pichler/Post 1894: Bericht des Grundeigentümers Florian Pichler und des Lehrers A. Post vom 22. Juli 1894.
Schrettle 2007a: B. Schrettle, Römische Villen im Umland von Flavia Solva. Überlegungen zur Verbreitung der Bautypen in Südostnoricum, Schild von Steier 20, 2007, 253–268.
Schrettle 2007b: B. Schrettle, Neue Forschungen zu römischen Villen im Umland von Flavia Solva, Forum Archaeologiae 45/XII/2007 (nur Erwähnungen).
Staudinger 1960a: E. Staudinger, "Landg´richtskreuz" und "Teufelsgraben" auf dem Leibnitzer Feld, Neue Chronik zur Geschichte und Volkskunde der innerösterreichischen Alpenländer, Nr. 55, Beilage zu Nr. 195 der Südost-Tagespost vom 24. August 1960, 1960, 1 f.
Staudinger 1995: E. Staudinger, Wo lag die Stadt Mureola?, in: Chronik der Gemeinde Gralla, 1995, 38 ff.
UMJ-Akt 1866: UMJ Akt 33/1866.
UMJ-ARCH, Ortsakt BH Leibnitz G Glanz–Gralla, Nr. 5, Gralla-Allgemein.
UMJ-ARCH, Ortsakt BH Leibnitz G Glanz–Gralla, Nr. 5, Gralla-Obergralla.
UMJ-ARCH, Literatur BH Leibnitz A–S, Gralla.
Ward 1987: A. Ward/J.Cherry/C. Gere/B. Cartlidge, Der Ring im Wandel der Zeit, Erlangen 1987.
Zeilinger 1963: Bericht von Konrad Zeilinger vom 7.11.1963.